Die Schotten haben laut zahlreichen Medienberichten den Münchnern das Bier leergetrunken. Zuvor plünderten angeblich schon Dänen die Vorräte in Stuttgart. In den Gastgeberstädten der Fußball-Europameisterschaft konnten sich offenbar viele Wirte über sehr gute Geschäfte freuen.
Damit ist es aber auch schon vorbei mit den positiven Meldungen über die Bierabsätze bei der EM. Bei den Brauereien und ihren Kunden herrscht eher Katzenjammer. „Das ersehnte Sommermärchen ist im doppelten Sinne ausgeblieben“, resümiert Birte Kleppien, Pressesprecherin der Radeberger Gruppe. Durch oftmals verregnete Spieltage und das Aus für die deutsche Elf im Viertelfinale seien die Effekte des Turniers „verhaltener“ gewesen als von vielen Akteuren erhofft.*
Dabei war doch die Vorfreude groß: Nach Einschätzung der Brauerei Veltins hätte das sportliche Großereignis „ein veritabler Plus-Bringer“ werden können: Bei den Turnieren des letzten Jahrzehnts erreichte die deutsche Brauwirtschaft laut Veltins-Angaben regelmäßig ein Absatzplus von rund 700.000 Hektolitern. Doch dieses Jahr sei der Mengenbonus nicht nur weitgehend hinter den Erwartungen geblieben, sondern der Juni sogar hinter den Vorjahresabsatzes zurückgefallen. Konkrete Zahlen hierzu veröffentlicht das Statistische Bundesamt Ende Juli.
Verbraucher nicht in Feierlaune
„Der Fußball-EM-Effekt ist verpufft“, stellt Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei, fest. Neben dem wenig sommerlichen Wetter und dem frühen Ausscheiden der deutschen Mannschaft erklärt er die schlechte Entwicklung auch mit der allgemein negativen Konsumstimmung. Es sei offenbar viel Euphorie in die EM „hineingeredet“ worden, ohne dass diese sich „in der Lebenswirklichkeit und Feierfreude der Verbraucher wiedergefunden“ hätte. Dem Fußball sei es nicht gelungen, die politisch und wirtschaftlich belastenden Themen in den Hintergrund zu drängen, so das ernüchternde Fazit.
Hohe Preise, insbesondere in den offiziellen Public-Viewing-Zonen, sind auch für Dirk Reinsberg, geschäftsführender Vorstand des GFGH-Bundesverbands, ein Grund für den trotz EM schwachen Bierabsatz. Bei sechs bis sieben Euro für einen halben Liter Bier – Pfand noch nicht mitgerechnet – denke sich wohl mancher „langsam reicht’s“. Für viele sei die Größenordnung, in der sich die Preise für Speisen und Getränke insgesamt bewegten, „nicht mehr adäquat“ gewesen. Auch die Gastronomie biete angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen inzwischen eher ein „ambitioniertes Preisbild“.
Keine positiven Effekte für den Fachhandel
Dementgegen stehe der Lebensmittelhandel, dessen Preise zuletzt an Angebote vor 15 Jahren erinnert hätten. Wenn Premiummarken unter zehn Euro pro Kasten angeboten würden, passe dies nicht in den von Inflation, hohen Kosten und fehlenden Ressourcen gebeutelten Markt, so Reinsberg. Dass der LEH die EM schon Wochen vor dem Turnierstart für große Preisfeuerwerke nutzte, machte es für den Getränkefachgroßhandel nicht einfacher. Am Ende sei die Meisterschaft in Sachen Bier „mehr als ernüchternd“ ausgefallen, bilanziert der GFGH-Verbandschef. „Für den Fachhandel gab es keinerlei positive Effekte.“
Doch auch im LEH liefen die Geschäfte offenbar nicht wie erhofft. Die Abverkäufe in den Märkten hätten sich in den Juni-Wochen „in Grenzen gehalten“, berichtet die Brauerei Veltins. Zwar hätten die Verbraucher „gute EM-Aktionen einzelner Anbieter“ honoriert, aber das Basisgeschäft rund ums Grillen sei „auf der Strecke geblieben“ und das „Rudelgucken“ nur sehr bescheiden ausgefallen.
Eines ist klar: Ein paar durstige Schotten, Engländer oder Dänen konnten die insgesamt negative Entwicklung bei weitem nicht ausgleichen. Zumal die EM offenbar auch manche Touristen ohne Fußballaffinität eher abschreckte, wie Birte Kleppien von der Radeberger Gruppe meint. Viele Besucher hätte ihren Aufenthalt in Deutschland oder zumindest in den Spielorten wegen des Großevents ausgesetzt.
Lage am Biermarkt weiter angespannt
Folglich fällt auch die Bilanz der Radeberger Gruppe eher verhalten aus: Die freudige Erwartung vieler Brauer sei inzwischen einer Ernüchterung gewichen, so die Pressesprecherin. „Bis auf spürbare Impulse in den offiziellen Austragungsorten war die Fußball-Europameisterschaft wenig impulsgebend für den Bierabsatz.“ Auch für das Gesamtjahr geht das Unternehmen von einer weiter angespannten Lage beim Bierabsatz aus.
Die Einschätzung der Brauereien und des Handels bestätigt auch die Gastronomie. Laut einer aktuellen Umfrage des Dehoga unter seinen Mitgliedern spürten 88 Prozent keine positiven Effekte durch die EM. Nur für rund acht Prozent hätten sich Impulse ergeben, so der Branchenverband. Dabei gab es – wenig überraschend – deutliche standort- und konzeptabhängige Unterschiede: In den Austragungsorten wie Berlin oder Hamburg profitierten mit 17,5 Prozent mehr als doppelt so viele Betriebe von der Meisterschaft. Eine besonders gute Resonanz meldeten mit 32 Prozent die Kneipen, Bars und Biergärten.
Tolle Gastgeber und schöne Erinnerungen
Trotz der insgesamt schwachen Bilanz kann der Dehoga dem Großevent noch etwas Positives abgewinnen: „Die Stimmung war gut. Unsere Betriebe präsentierten sich als tolle Gastgeber mit kreativen Angeboten für die Fußballfans aus ganz Europa“, unterstreicht Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Die EM sei auf jeden Fall „ein wichtiger Impulsgeber zur Stärkung des Deutschlandtourismus“ gewesen.
Ähnlich bemüht sich auch Peter Lemm, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Krombacher Brauerei, um optimistische Töne: Auch wenn manche Public-Viewing-Events im Biergarten buchstäblich ins Wasser gefallen seien, habe die EM „einige wunderbare Anlässe geboten, um mit Freunden die tolle Stimmung im Land und die guten Spiele der deutschen Mannschaft auch mit dem einen oder anderen Krombacher zu genießen und feiern zu können“. Daran habe auch seine Brauerei partizipiert.
Auch der Deutsche Brauer-Bund findet trotz schwankender Temperaturen und häufiger Unwetter, die vielen Wirten „das Geschäft verhagelten“, positive Aspekte: Die Europameisterschaft sei „auf jeden Fall ein Gewinn“ gewesen, glaubt DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Die Branche habe die Chance gehabt, „Deutschland und seine vielfältige Bierkultur zu präsentieren“. Millionen von Besuchern könnten viele schöne Erinnerungen mit nach Hause nehmen.
*Die Bitburger Braugruppe, die als exklusiver Bierpartner der EM in allen zehn Austragungsstadien und allen Fan-Zonen Bier ausschenkte, wird ihre abschließende EM-Bilanz erst noch abgeben. Daher fehlt sie in unserem Bericht.
Der Beitrag Katzenjammer nach der Fußball-EM erschien zuerst auf Aktuelle Nachrichten aus der Getränkeindustrie.